Kurzes Lebenszeichen

Der Tag des Abflugs nähert sich immer mehr. 12 Tage sind es noch. Und Austauschschüler kurz vor dem Abflug sind unberechenbar, kaum wiederzuerkennen. In einem Moment ist alles rosarot: Omg, es geht wirklich bald los, es wird so so toll, ein Abenteuer, Neues erleben, aufgeregt sein, ein Kribbeln im Bauch haben, welches einen grinsen lässt. Im Bruchteil weniger Sekunden schwenkt das dann um auf: oh nein, ich muss noch so viel organisieren, verdammt wo ist dieses Versicherungsdokument, was soll ich denn überhaupt alles mitnehmen, war mein Koffer echt schon immer so klein, ich muss noch so viele Leute treffen,... Und danach kommt der Moment, in dem man sich erstmal beruhigen muss, weil einem klar wird, dass man weg geht. Weg. Wirklich weg. 

Langsam wird mir bewusst, dass es in weniger als zwei Wochen losgeht. Und ebenso bewusst wird mir, dass ich es noch nicht ganz wahrhaben will. Ich realisiere nur schleppend, was um mich herum passiert. Ich habe mein Flugticket bekommen, aber was sagt mir dieses Stück Papier? Ich bekomme Geschenke von Freunden, aber woher soll ich wissen, dass sie für den Abschied bestimmt sind? Am liebsten würde ich die Zeit anhalten um mir dessen allen etwas bewusster zu werden. Und um noch ganz viel zu erledigen, bevor ich fliege. Es passiert einfach alles gerade so schnell. Auf der anderen Seite kann es mir aber auch wieder nicht schnell genug gehen. Dieses Gefühlschaos ist total verwirrend. Denn gleichzeitig würde ich am liebsten sofort die ersten Dinge in meinen Koffer tun und dann endlich meine Gastfamilie sehen!

Wirklich, mit jeder Nachricht werden mir meine Gasteltern sympatischer. Vor einigen Wochen haben wir das erste Mal per Videochat geredet und die beiden sind so liebe und warmherzige Menchen. Gut eine dreiviertel Stunde haben wir über alles Mögliche geredet, viel gelacht und ich habe das Gefühl bekommen total willkommen zu sein. Es sind diese kleine Gesten, die mich glücklich machen. Zum Beispiel kleben an ihrem Kühlschrank, wo sie Bilder von Kindern und Enkelkindern haben, jetzt auch jeweils ein Foto von meiner Gastschwester und mir. Oder weil ich mich nicht für einen (Herbst-)Sport entscheiden kann (Cheerleading, Cross Country oder Fußball, was sagst du?), hat meine Gastmutter mir "Probestunden" organisiert, um alles einmal auszuprobieren. Auch auf Fächer kann ich mich einfach nicht festlegen, die Auswahl ist so riesig. Mal schauen, wie ich das schaffe 😅

Was ansonsten noch so passiert ist? Ich musste für den Schulsport noch einen Zettel vom Arzt ausfüllen lassen, habe mir "Webinare" von YFU angeschaut (länderspezifische Vorbereitung über Skype) und meine Vesicherungsdokumente erhalten. Auch mit meiner Gastschwester habe ich nun angfangen regelmäßig per Whatsapp zu schreiben. Ich denke, wir sind sehr sehr verschieden, verstehen uns aber trotzdem super gut. Außerdem habe ich noch eine deutsche Austauschschülerin kennengelernt, die die gleiche Schule wie ich besuchen wird. Auch sie ist ganz lieb und wir können uns wirklich gut austauschen. Und ansonsten schreibe ich auch mit einem amerikanischen Mädchen, welches auf meine Schule geht und mir freundlicherweise alle meine Fragen beantwortet.

Übrigens bekomme ich teilweise lustige Fragen gestellt. Was ich denn da den ganzen Tag machen will (mit meinem Cocktail im Pool sitzen und Netflix schauen), ob ich zu jeder Mahlzeit Burger mit Pommes essen werde (ja na klar, die Amerikaner kennen schließlich gar nichts anderes) und wie ich überhaupt in die USA komme (mit dem Fahrrad natürlich, wie sonst?) sind nur einige davon. Sorry, ein bisschen Spaß muss sein, ist natürlich nicht böse gemeint 😉

Also zurück zum Eigentlichen: Du kannst sehen es, läuft alles gerade sehr gut. Ich habe nur noch furchtbar viel zu tun in den verbleibenden 12 Tagen. Deswegen höre ich jetzt erstmal auf, du wirst von mir hören!

Liebe Grüße und bis dann,

Jean

(12 days left)

Did you smile today?